Zwischen den Mitgliedern am Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Vechta und brasilianischen Kollegen findet eine intensive Forschungskooperation statt. Hierzu zählen gemeinsame Workshops in Deutschland, Brasilien und im Rahmen der International Association for the Philosophy of Law and Social Philosophy (IVR), sowie die Mitarbeit in einer Forschungsgruppen als auch der Austausch und die Betreuung von Gastwissenschaftlern und -dozenten.
DAAD-Projekt: PROBRAL
Wissenschaftliche Ziele
Hauptziel dieses Projekts ist die Überwindung des Dauer- und Kernstreits in der rechtsphilosophischen Diskussion über Menschenrechte, d.h. des Streits über die Begründung der Menschenrechte. Dieses Projekt hat nicht vor, eine weitere Begründung der Menschenrechte neben all denjenigen zu vertreten, die bereits formuliert worden sind. Vielmehr will dieses Projekt mit den einzelnen Begründungen methodisch anders und nüchterner umgehen, die alle ihre Berechtigung haben.
Die heutige philosophische Debatte über Menschenrechte widmet sich vor allem deren Begründung, weniger der Begriffsanalyse und kaum der inhaltlichen Vielfalt der Menschenrechte, obgleich sie durchaus mehrere Generationen von Menschenrechten sowie eine interne Vielfalt jeder Generation kennt. Man versucht die Menschenrechte auf unterschiedliche Weisen zu rechtfertigen bzw. zu begründen (transzendental aus den Bedingungen des Handelnden, aus den Grundbedürfnissen, aus der Freiheit, aus der Friedensförderung, aus der Demokratie, diskursethisch, aus der institutionellen und globalen Verantwortung usw.). Jede dieser Begründungen ist auf Einwände gegen die anderen Begründungen und auf deren Schwächen fokussiert, und bedient sich gerne der harten Fälle der anderen Theorien. Dadurch unterminieren sich diese Begründungen gegenseitig; gerade um die Menschenrechte vor radikal relativistischen Einwänden zu schützen, ist deshalb eine differenziertere Betrachtung nötig. Dieses Projekt will die Hypothese erforschen, dass alle Menschenrechte nur einen Kernbereich von Eigenschaften teilen (Vorrang vor anderen Rechten sowie vor Gerechtigkeitsansprüchen, Universalität, relative Abstraktheit, Zugehörigkeit zu den moralischen Rechten usw.); ansonsten schützen sie weder alle dieselben Rechtsgüter noch teilen sie alle dieselbe Begründung. Auf dieser Basis setzt sich das Projekt zwei Ziele.
1. Es untersucht, in welche Gruppen von Rechtsgütern sich die einzelnen Menschenrechte einordnen lassen und wie diese Gruppen jeweils zu begründen sind. Da bei werden alle oder zumindest die meisten geläufigen Begründungen der Menschenrechte herangezogen, deren jeweiliger Anspruch auf Exklusivität jedoch abgelehnt. Das Projekt könnte daher auch zur Erklärung der Frage beitragen, warum – anders als oft angenommen – Menschenrechte nicht durchweg absolut gelten und es zwischen ihnen durchaus Prioritätsregeln gibt.
2. Es wird untersucht, wie sich Prioritätsregeln zwischen den Menschenrechten erklären bzw. begründen lassen; diese Prioritätsregeln dürfen je nach der Rechtsordnung differieren, was sich nicht nur aus (nicht nur kulturellen) Umständen, sondern auch aus dem Rechtsbegriff und dessen Anwendung erklären lässt. Denn beides erfordert eine Abwägung zwischen normativen inhaltlichen Forderungen einerseits und Rechtssicherheit und Effizienz andererseits, welche wiederum nur in einer komplexen diskursiven Argumentation durchzuführen ist. Darum werden in diesem Projekt Rechtsphilosophen aus der Philosophie mit Rechtsphilosophen aus der Rechtswissenschaft kooperieren, die sich jeweils auf die Menschenrechte und die juristische Argumentation konzentrieren.
Die Gültigkeit der Ergebnisse wird sich daran messen lassen, inwieweit sie unser differenziertes Verständnis der einzelnen Menschenrechte und der unterschiedlichen Debatten über die Menschenrechte – besonders am Beispiel der Diskussion in Deutschland und im sich im sozialen Wandel befindenden Brasilien – rekonstruieren und konsistenter machen können.
Verantwortliche Personen
Prof. Dr. Jean-Christophe Merle (Koordination Deutschland)
Prof. Dr. Júlia Aguiar de Oliveira (Koordination Brasilien)
Beteiligung an den Promotionskommissionen für
- Dr. Giltônio Santos (durch Prof. Dr. Jean-Christophe Merle)
- Dr. Cristian Kiefer (durch Prof. Dr. Jean-Christophe Merle)
Workshops
VI Colóquio „Direito, Argumentação e normatividade: Direitos humanos e fundamentais, uma argumentação jusfilosófica complexa“, PUC Minas, Belo Horizonte (Brasilien), 5. Oktober 2016
II Colóquio „Direitos Humanos, do conceito à proteção nacional e internacional“, Faculdade do Direito das UFMG, Belo Horizonte (Brasilien), 29 September 2016
V Colóquio „Direito, argumentação e normatividade: direitos humanos e fundamentais, uma argumentação jusfilosófica complexa“, Katholische Universität von Minas Gerais (PUC Minas), Belo Horizonte (Brasilien), 8.-9. September 2015.
Colóquio „Direitos humanos: do conceito à proteção nacional e internacional“, Bundesuniversität von Minas Gerais (UFMG), Belo Horizonte (Brasilien), 3.-4. September 2015.
Special Workshop „Human and Fundamental Rights: a Complex Argumentation of Legal Philosophy“ beim XXVII World Congress of the International Association for the Philosophy of Law and Social Philosophy (IVR) – 27.07.- 01.08.2015 – Informationen finden Sie hier.
Forschungsgruppen:
Forschungsgruppe: Direito e Razão Pratica / Recht und Praktische Vernunft
Mehr Informationen zu dieser Forschungsgruppe finden Sie hier.
Austausch von Wissenschaftlern im Rahmen der Kooperation
Prof. Dr. Alexandre Travessoni Gomes Trivisonno
Iara Alves Etti Fróes (WS2015/16, SoSe2016)
Giltônio Maurílio Pereira Santos (WS 2014/15, SoSe 2015)
Rafael Vieira Figueiredo Sapucaia (WS2015/16, SoSe2016)
Cynthia Pereira de Araújo (WS2016/17)